Die Leitung als Rückgrat der Sozialpädagog*innen

Es wird der Leitung empfohlen, Führungsgrundsätze und -richtlinien zu formulieren. Die Praxisgruppe betonte jedoch, dass für sie zentral ist, welche Kultur die Leitung konkret vorlebt, da dies die Organisationskultur prägt (vgl. Praxisgruppe 2023). Für den stationären Bereich der Kinder- und Jugendhilfe gibt die Traumapädagogik explizite Merkmale vor, die in diesem Bereich seitens der Leitung besonders wichtig sind: Wertschätzung, Transparenz, Partizipation, Handlungsspielraum und fachliche Konzepte (vgl. Weiß 2013: 240–244). Anbei werden konkrete Punkte genannt, anhand deren Wertschätzung, Transparenz und Partizipation von der Leitung vorgelebt werden kann.

Wertschätzung

  • Die Leitung hat ein Verständnis von der harten Arbeit, die das Personal leistet. Sie zeigt dies mit positiven (vgl. Poulsen 2010: 27) sowie kritischen Rückmeldungen (vgl. CURAVIVA 2013: 23).
  • Die Leitung begegnet den Sozialpädagog*innen mit einem offenen Ohr, damit sie sich ernstgenommen fühlen können (vgl. Edmondson 2020: 138, Praxisgruppe 2023). Hier ist es wichtig, dass das Prinzip der ‘offenen Türen’ gelebt wird, damit Mitarbeitende ohne zwingende Dienstwege das Gespräch zu Leitungspersonen suchen können (vgl. Poulsen 2012: 108).
  • Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden werden gesehen und die Leitung geht darauf ein, z.B. kann bereits im Vorstellungsgespräch aktiv danach gefragt werden (vgl. Praxisgruppe 2023, CURAVIVA 2016: 1).
  • Die Mitarbeitendenbindung zu stärken stellt durch den aktuellen Fachkräftemangel eine besonders wichtige Aufgabe dar (vgl. OBS EHB 2018: 8, Ramaj 2021: 88).
  • Der angemessene Lohn wird als Zeichen der Wertschätzung wahrgenommen (vgl. Praxisgruppe 2023).

Transparenz

  • Die Sozialpädagog*innen wissen über die Hintergründe von Entscheidungen Bescheid.
  • Die Hintergründe der Heimfinanzierung und der Einsatz der Ressourcen möchten sie nachvollziehen können. Daher sollten die Heimfinanzen transparent gezeigt und den interessierten Personen zur Verfügung gestellt werden. Zudem ist es für die Praxisgruppe wertvoll, wenn sie sieht, dass die gegebenen Spielräume im Sinne der Klientel und des Personals genutzt werden (vgl. ebd.).
  • Es besteht eine nachhaltige Planung für die Organisation (auf welche Klientel richten wir uns aus, wo passen wir das Angebot wie an?).
  • Die Lohntransparenz innerhalb der Organisation wird gewünscht (wer verdient wie viel?) (vgl. ebd.).
  • Führungskräfte suchen regelmässig Gespräche mit den Mitarbeitenden, um die Transparenz zu wahren (vgl. Poulsen 2009: 122).

Partizipation

  • Sozialpädagog*innen können mitbestimmen und die Leitung holt dies auch aktiv als Ressource ein (vgl. Edmondson 2020: 145), z.B. bei der Aufnahme von Klient*innen, der Einstellung von Mitarbeitenden, der Organisationsstrategie und beim gemeinsamen Schreiben vom Dienstplan (vgl. Praxisgruppe 2023, Winkens 2020: 76).
  • Freiräume zu erhalten, bedeutet auch, den Sozialpädagog*innen Vertrauen zu schenken (vgl. CURAVIVA 2013: 23), dies wird mit Respekt verbunden und macht den Arbeitsplatz zu einem psychologisch sicheren Ort (vgl. Edmondson 2020: 6).

Umgang mit Problemen

Für die Sozialpädagog*innen ist es wichtig, dass die Leitung für besonders herausfordernde Situationen sensibilisiert ist (vgl. Praxisgruppe 2023). Bei Problemen kommt es für die Mitarbeitenden stark auf den Umgang damit an. Es wird geschätzt, wenn diese partnerschaftlich besprochen werden (vgl. Northoff 2012: 109), ohne dass Leitungen nachtragend sind (vgl. CURAVIVA 2013: 23) und das Team auch dazu motiviert wird, Kritik anzusprechen (vgl. Mohr 2017: 241).

Support bieten, Mitarbeitende stärken

Die Leitung kommt ihrer Fürsorgepflicht für die Mitarbeitenden nach, indem sie sicherstellt, dass die anstehenden Aufgaben mit den zur Verfügung gestellten Mitteln erfüllt werden können (vgl. YOUVITA 2022: 4). Die Traumapädagogik betont, dass die Belastungssituationen in der Arbeit erfordern, dass Sozialpädagog*innen eine fürsorgliche, stabilisierende Leitung wahrnehmen, die die Emotionen der Mitarbeitenden versorgen kann (vgl. Lang 2009: 211, 216). Hier geht es auch darum, dass Leitungspersonen die Sozialpädagog*innen konkret fragen, wie es ihnen in bestimmten Situationen geht und was sie gegebenenfalls benötigen. Die Mitarbeitenden sollten in ihrer Leitung ein Rückgrat sehen, das ihnen auch in Konfliktsituationen den Rücken stärkt (vgl. Poulsen 2009: 122). Die Sorge um die Sozialpädagog*innen soll darin spürbar sein, dass sie die Fachpersonen situationsangemessen unterstützt. Belastungen sollen nicht individualisiert, sondern in ihrer strukturellen Beschaffenheit gesehen werden (vgl. Praxisgruppe 2023).

Die folgenden Punkte dienen zur Reflexion der Leitungsebene, einerseits dient sie zur Selbstreflexion der Leitung, andererseits als Feedbackgrundlage von Mitarbeitenden an die Leitung.

  • Besteht zwischen Leitung und Mitarbeitenden eine aktive Feedbackkultur? Werden konkrete Rückmeldungen gemacht? Holt sie sich das Feedback aktiv von den Mitarbeitenden ein?
  • Holen Führungskräfte aktiv den Rat der Mitarbeitenden ein? Inwiefern nutzen sie die Expertise der Mitarbeitenden?
  • Besteht in der Organisation Transparenz über Entscheidungen, Löhne und die Heimfinanzierung?
  • Welche Spielräume können Sozialpädagog*innen selbst gestalten? Wo sollten diese angepasst werden?
  • Wie werden Probleme angegangen?
  • Welche Situationen überfordern die Sozialpädagog*innen? Was brauchen sie?
  • Nehmen Sozialpädagog*innen die Leitung als Rückgrat war?

Es kann zwischen Sofortmassnahmen, die heute eingeführt werden, sowie langfristige Massnahmen, die über längere Zeit implementiert werden, unterschieden werden.

  • Der Dialog zwischen Leitung und Mitarbeitenden herstellen und aufrechterhalten (z.B. Besuch auf Wohngruppe, Gesprächstermin, Pausengespräch etc.).
  • Probleme lösungsorientiert besprechen.
  • Wertschätzend positive wie auch kritische Rückmeldungen geben (z.B. als Reaktion auf Ideen, Vorfälle etc.).
  • Transparenz herstellen (Entscheide begründen, Löhne, Finanzierung der Organisation).
  • Mitarbeitende erhalten Freiräume innerhalb ihrer Arbeit und bestimmen mit (z.B. Dienstpläne werden vom gesamten Team gemeinsam erstellt).
  • Herausfordernde Situationen mit der Klientel werden auch in Bezug auf das persönliche Erleben der Mitarbeitenden besprochen (z.B. durch aktives, fürsorgliches Nachfragen. Dies zeigt, das Interesse der Leitung am Befinden der Mitarbeitende).
  • Es werden situativ Massnahmen ergriffen, um den Schutz der Mitarbeitenden zu gewährleisten, wenn diese gefährdet sind.
  • Austauschgefässe schaffen, in denen die Leitung und die Mitarbeitenden in Kontakt kommen.
  • Im Einstellungsprozess nach den Bedürfnissen der Mitarbeitenden fragen und die Spielräume bestmöglich nutzen, um diesen nachgehen zu können.
  • Es werden konkrete Massnahmen umgesetzt, um die Mitarbeitendenbindung zu stärken.
  • Spielräume ausweiten (Rahmenbedingungen so optimal wie möglich gestalten).
  • Nachhaltige strategische Planung für die Organisation erstellen und kommunizieren (neue Klient*innengruppen, Zukunftsangebot, Ausrichtungsveränderungen etc.).
  • Wenn sich Überforderungssituationen strukturell abzeichnen, werden Konzepte, Ressourcen und Wissensgrundlagen entsprechend angepasst (Springer*innen, Supervision, Einzelcoaching, Angebotsanpassung etc.) (vgl. Poulsen 2012: 101f.)
  • Die Leitung fordert die Mitarbeitenden aktiv zur Weiterbildung auf, um die Fachlichkeit der Organisation zu gewährleisten.
  • Es bestehen Kontakte, die angerufen und bei einer überfordernden Situation in den Dienst kommen können (Eskalationen, Grenzüberschreitungen, Notfälle) (vgl. Haupt-Scherer 2016: 63).
  • Es wird regelmässig eine Mitarbeitendenbefragung zu Arbeitszufriedenheit durchgeführt (vgl. Poulsen 2012: 108).
  • Die Massnahmen zur Gesundheitsprävention werden umgesetzt (vgl. Praxisgruppe 2023).

AvenirSocial, Spannungen entladen durch Standardisierung von Mitarbeitendenführung: https://avenirsocial.ch/wp-content/uploads/2023/06/8.-Standardisierung-der-MA_Fu%CC%88hrung.pdf

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